Die erste Auflage des Buches

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Eine kleine Kurzgeschichte

 

Kein Strom in Bümmerstede !

 

Das war gruselig. Nicht Stephen-King-gruselig, sondern Steve-Jobs-gruselig oder Jeff-Bezos-gruselig. Der Strom war weg! Nichts ging mehr. Gar nichts. Gruselig.

 

Hinter unserem Haus ist eine Riesenbaustelle, es entsteht ein neues Wohngebiet. Die EWE, unser Stromanbieter, hatte selbstverständlich damals bei Baubeginn unseren Privatweg aufgerissen und entsprechende Stromleitungen nach dort verlegt. Jetzt, ein Jahr später, hatte sich allerdings herausgestellt, dass die Planer des Baugebietes sich verkalkuliert hatten. Oder die EWE oder wer auch immer. Es ist ja nicht so, dass nicht von Anfang an bekannt war, dass dort Wärmepumpen benutzt werden  würden (die viiiiel Strom verbrauchen).  Außerdem wussten die Planer, laut EWE, auch nicht, dass die dort überall angebrachten „Wall-Boxen“ mehr Strom als ursprünglich berechnet  benötigen würden.  Für mich ein klarer Fall von Beruf verfehlt. Mein Mann ist Pilot. Wenn der oben in der Luft auf einmal bemerken würde, dass er mehr Kerosin benötigt, als vorher berechnet, würde das sehr ungesund für ihn enden - und auch für viele andere Menschen unten am Boden, wo er aufschlagen würde. Warum dürfen also die Damen und Herren Planer oder Architekten solche Fehler machen, es ist mir ein Rätsel. Auf jeden Fall war nun aber die “ Stromzufuhr“ nicht groß genug, wie man mir erklärte und die EWE musste noch einmal neue, zusätzliche Leitungen verlegen. Deswegen musste die Stromzufuhr zu unserem Haus heute für zwei Stunden abgeschaltet werden. Das besagte der Zettel, den mir der nette Herr der EWE in die Hand gedrückt hatte.

 

Meine Tochter und ich hatten uns also gut darauf vorbereitet, dass  von neun bis elf Uhr kein Strom da sein würde.  Ich hatte meine mittwöchliche  Saubermachaktion schon frühmorgens begonnen und hatte schon vor acht Uhr mein Bad komplett grundgereinigt. Den IRobot Saugi hatte ich auch schon für die erste Runde losgeschickt die Küche, um das Wohnzimmer zu saugen. Somit wollte ich während der Zeit des Stromausfalles in Ruhe meinen morgendlichen Chai Latte trinken und Zeitung lesen (die aus Papier). Das Wasser für den Chai musste ich natürlich dringend noch vor neun Uhr aufkochen, nicht vergessen Gabi. Weil wenn der Wasserkocher nicht ging, konnte ich es ja auch nicht auf dem Herd kochen, der lief ja auch mit Strom, mit starkem Strom sogar, der fiel also besonders stark aus.

 

Meine Tochter hatten schon ihren Mädels aus der WhatsApp Video Gruppe Bescheid gesagt, dass sie nachher nicht mehr mitmachen könne, weil sie kein WLAN mehr haben würde. Ihre mobilen Daten waren im laufenden Monat schon für diverse Musikvideos fast komplett draufgegangen.

 

Saugi wurde also gerade noch rechtzeitig mit dem Wohnzimmer fertig und fuhr wieder auf die Station, um sich aufzuladen. Ich wollte ihn nachher, während des Stromausfalles noch den Flur machen lassen, da er ja einen Akku besaß und durchaus nicht auf Strom angewiesen war, solange er voll aufgeladen war, was ich ja bedacht hatte. Bin ja nicht blöd.

 

Neun Uhr, das Licht ging aus, das Radio auch und sehr viel Anderes auch. Mist, das mit dem Radio hatte ich nicht bedacht. Es lief nicht nur nicht, weil kein Strom da war, es war ja auch ein Internet Radio, lief also doppelt nicht. Auch kein anderes musikmachendes Gerät in diesem Haushalt konnte ich in Gang werfen. Den Bluetooth Lautsprecher meiner Tochter darf ich grundsätzlich nicht anrühren, weil sie ihn selber pausenlos benutzte. Sie saugte gerade den letzten Akku-Rest ihres Handys leer, um ihre eigene Musik, zusammen mit dem Videoanruf bei ihren Mädels noch zu tätigen. Also war es totenstill hier unten im Haus. Das ging gar nicht. Na dann würde ich jetzt den vorhin noch frisch geladenen Robot Saugi losschicken, damit er den großen Flur saugen sollte, während ich gemütlich meinen Chai trinken und Zeitung lesen konnte. Per Handy Befehl sollte Saugi, wie immer, loslegen: „Eine neue Aufgabe – Flur saugen“ schrieb ich ihm. „Es konnte keine Verbindung zur Cloud hergestellt werden. Bitte versuchen Sie es später erneut“ wurde mir geantwortet. Ach ja, das lief ja auch über das Internet – wie Kacke! Also nix mit staubsaugen lassen. Na dann las ich halt bei Totenstille, im regnerischen, norddeutschen Dämmerlicht meine Zeitung. Auf Papier – wenigstens das klappte noch.

 

In die Totenstille kam dann irgendwann von meiner Tochter die Frage „ Mama, kann ich denn aufs Klo gehen? Weil ja kein Strom da ist?“ „Äh ja, natürlich. Die Toilette funktioniert immer noch mit Wasserdruck, soviel ich weiß. Ohne Strom.“ „Ok“ „…aber duschen könntest du jetzt nicht, da wäre irgendwann das warme Wasser alle. Das wird nämlich von der ELEKTRISCH betriebenen Gasheizung(?!) erwärmt.“

 

Als ich die Zeitung durch hatte, ging ich in kurz in den Garten, um das kleine Stück frisch gesäten Rasen zu berieseln und ärgerte mich wieder mal über den Rasenmäher Roboter, der schon wieder nicht losgefahren war. Wir hatten doch extra die teure orange-blaue Marke gekauft, die am wenigsten Störanfällig sein sollte. Bis mein Blick auf die Ladestation des Mähers fiel –  AUCH MIT STROM ! – ach deswegen! Na gut, ich ging wieder rein und fing an, Staub zu wischen, wo ich ihn denn im Dämmerlicht erkennen konnte. Dabei fiel mir ein, diese ganze Sache doch einfach einmal aufzuschreiben für nachfolgende Generationen, die später sich vielleicht nicht mehr vorstellen könnten, was Stromausfall bedeutet, wenn der Strom womöglich für jedermann frei verfügbar durch die Luft schwirren würde. Wie das Internet. Hätte sich früher auch keiner so vorstellen können. Auf jeden Fall ging ja bei so einem Stromausfall gar nichts mehr. Überall standen tote, nicht leuchtende Geräte, in jedem Raum. Sogar im Hauswirtschaftsraum starrte mich stumm die WLAN Box an und die Festnetzanlage mit Fax. Ach so ja, ein Fax Gerät ist das, was nach dem Briefeschreiben kam. Viele kennen das Wort Brief ja noch aus den Märchen, die die Eltern vorgelesen haben. Und ein Fax zu schreiben ist wie eine WhatsApp auf Papier, nur langsamer, ohne Sprachnachricht und ohne Video. Aber auch mit Fotos machbar. Manchmal, aber auch nur, wenn genug Papier im Gerät ist. Und natürlich nur in schwarz-weiß. Also ihr versteht, was ich meine.

 

Ich setzte mich also an mein Notebook, um meine Gedanken aufzuschreiben. Ein Mausklick, fünfmal ENTER gehämmert – nichts passiert. Scheiße, Akku alle! Herrrrgotttnochmal- geht denn hier gar nichts mehr!!! Was mach ich denn jetzt? Warte, ich hatte doch mal ein Notizbuch, so ein komisches, aus echtem Papier. Ja hier ist es ja! Jetzt konnte es losgehen und ich machte mir Notizen.

 

Währenddessen war es schon zehn nach zwölf und meine Tochter fragte, wann denn der „Neun bis Elf Stromausfall“ endlich wieder vorbei wäre, sie müsste für Geschichte ein zehnminütiges Video runterladen und anschauen als Hausaufgabe. Ich war auch ratlos, wo die EWE sonst doch immer so zuverlässig war…

Ich schaute auf meine dunklen Festnetz Telefone, die keine Uhrzeit anzeigten aber Gott sei Dank besitzen wir noch eine Uhr, die an der Wand hing und mit Batterie lief.

 

Meine Tochter kam runter „Wie lange dauert das denn noch, ich krieg langsam Hunger“. „Ich weiß es auch nicht, aber der Herd geht doch nicht, also muss das Essen noch warten.“ Ich schäme mich fast dafür, gedacht zu haben „Ach, aber ich kann doch auch Essen in der Mirowelle machen, wenn der Herd gerade nicht funktioniert..“  Mikrowelle --- Strom!!! Hhm, wir hätten da noch den alten Feuerkorb auf der Terrasse stehen, da haben wir früher doch auch mal Bockwürste drauf verbrennen lassen. Verzweifelte Situationen erfordern verzweifelte Maßnahmen - aber so weit waren wir ja noch nicht.

 

Meine Tochter kam gerade freudestrahlend runter. „Mama, für Chemie kann ich auch wirklich noch nichts machen. Ich soll ein Referat über Argon machen, aber ohne zu googlen geht das nicht. Aber ich kann MUSIK MACHEN!!“ sprach sie und hielt ihre alte Karaoke Maschine hoch, die einen noch halbwegs aufgeladenen Akku besaß und legte los. „Wow wow wow ah, wow wow wow uah, oh yeah…..“  es tönte Power Sound aus dem Gerät – wie GEIL!!!!

 

Gleichzeitig, ganz überraschend auf einmal, Licht an, piep piep piep, ringdingdong, blink blink blink, dingding, ALLES war auf einmal wieder an. Welche Erleichterung. Sogar der Kühlschrank brummte wieder.

Jetzt werde ich nur noch die nächsten fünfundvierzig Minuten damit verbringen, alle Uhren und Geräte wieder einzustellen und dann ist wieder alles gut. Der Rasen wird wieder gestutzt, der Staub wieder gesaugt und die Eigenschaften von Argon können wieder gegoogelt werden - die Krise ist vorüber.

 

Kleiner Nachtrag:

 

Eine Stunde und fünfundvierzig Minuten später lauert meine Tochter noch immer im Hauswirtschaftsraum vor dem WLAN und flucht, weil noch kein Internet wieder funktioniert…. für Geschichte…. und Chemie….